So wird von dem sagenhaften Orpheus
erzählt: Als dieser in die Unterwelt hinabstieg um Euridice zu suchen,
-gewissermaßen sein eigens höheres Wesen-, bezaubert er alle, die ihm
begegnen: "Persephone wird von seinem Singen überwältigt. Die
Erynnien, die vier Totenrichter, weinen. Der Höllenhund wird besänftigt,
die Parzen nehmen den Lebensfaden wieder auf.
Ein anderer Mythos erzählt, wie Amphion, ein Sohn des Zeus und
Begründer der Stadt Theben, die Leier spielte um die Stadt zu
errichten: während er spielte, ordneten sich die Steine zusammen und
erbildeten die Mauern.
Ù
Auch in der Altenpflege, selbst bei der Sterbebegleitung hat die Leier ihre wohltuende harmonisierende Wirkung gezeigt. Ù
Paralell zu dieser Entwicklung entstand im Laufe der Jahre für all diese Anwendungsgebiete eine reiche Tonliteratur für Leier. Neben der Umschreibung bekannter Werke aus der Musikliteratur - soweit das für die Leier geeignet war - entstanden Werke für mehrstimmige Leierensembles, für Leierchor, virtuose Werke für Leiersolisten, Leier - Begleitstimmen für Gesang, Werke für Leier und andere Instrumente, für Puppentheater, für Jahreszeitenfeste und für den erneuerten Kultus in der Christengemeinschaft.
Im Kindergartenalter und
bis etwa die ersten 2 Schuljahre empfielt sich für die Leiermusik die
in der Waldorfpädagogik bewährte Quintenstimmung
(Pentatonik). Es gibt hierbei noch keine Halbtonschritte wie in
den fest geformten Dur - und Mollskalen. Statt dessen hat die
Musik einen eher atmenden, frei beweglichen, assoziativen Duktus. Für
diesen Zweck wurden eigens pentatonische Leiern gebaut, die auch in
Klangvolumen und Toncharakter dem Kind dieses Alters entsprechen und
es zu aufmerksamem Zuhören anregen.
Kinder blühen auf in Erlebnissen. Erlebnisse sind in diesem
zusammenhang Dinge, die von den Kindern gefühlt, erfahren und
verbalisiert werden. Es bleibt zu hoffen, daß mehr Lehrer den Mut
finden zum Singen, Spielen und Musizeren im Unterricht und somit eine
größere Vielfalt an Tönen, Stimmungen und Schwingungen in den
Bildungs- und Erziehungsprozess einfließen, als das gemeinhin
vorgesehen und vorgeschrieben ist." ( Die Geschichte stammt von Jakob
Streit aus seinem Buch "Liputto", Verlag Urachhaus) Ù Hören wir den Erfahrunfsbericht eines Lehrers (Schweiz): "Es war ein unruhiger Tag, die Kinder kamen unruhig und zerstritten aus der Pause. Wegen einer Besprechung kam ich zu spät. Den Aufruhr im Klassenraum hörte man schon von weitem. Wie die aufgebrachten Kinder beruhigen? Mit ein paar deutlichen Gebärden verwieß ich die Kinder an ihre Plätze. Ein Kind saß noch unter dem Lehrerpult. Ruhig nahm ich die Leier aus dem Koffer, setzte mich auf den Stuhl und begann zu spielen. Sofort kehrte Ruhe, Harmonie und Besinnung ein. Selbst das Mädchen unter dem Lehrerpult, das als wilde Schlägerin gefürchtet war, kam ganz zufrieden an ihren Platz zurück. Diese Ruhe und innere Ordnung hielt beinahe eine halbe Stunde an, in welcher die Kinder mit Wachskreiden hingebungsvoll den König zeichneten, wie er in der Abendstille über die geheimnisvolle Brücke ging, indem er auf seiner Leier spielte und dazu sang, während der Drache unter der Brücke schlief." Ù
Eine Erzieherin aus einem
Internat berichtet: "In
meiner Kindergruppe habe ich einen 10-jährigen Buben, der von
Zeit zu Zeit sehr unruhig und zerstreut ist. Dann macht er ganz dumme
Sachen, von denen er hinterher selbst nicht sagen kann, warum er das
gemacht hat. Das wird manchmal äuerst ärgerlich! Da habe ich
angefangen, mit ihm drei mal wöchentlich Leier zu spielen: danach ist
er immer wie umgewandelt! Ein ganz anderes Wesen kommt in dem Kind zum
Vorschein." Ù
Heilpädagogische
Kinder kommen in der Regel mit den üblichen Schulmusikinstrumenten
nicht zurecht. Auch das Orff'sche Instrumentarium ist hier wenig
geeignet. Der Klang der Leier zieht aber erfahrungsgemäß die
Aufmerksamkeit der Betreuten an. Wie kann man das verstehen? Das
Geheimnis der Leier liegt in dem verschwebenden Ausklingen der Töne, die nicht
wie bei nahezu allen anderen Musikinstrumenten kurz nach dem
Erklingenlassen gleich wieder abgedämpft werden. Aus einer Vielzahl von
Leiertypen, unterschiedlich in Tonlage und Tonumfang kann man auch für
ein ganz schwaches Kind das Insrument finden, auf dem es im freien,
selbständigen oder geführten Spiel zu eigenem, tätigem Musikerleben
kommt. Ich erlebte tief befriedigte behinderte Kinder, nachdem sie auf
einer Bordunleier ein in der Gruppe gesungenes Lied begleiten durften:
dazu werden drei Bordunleiern jeweils in Dreiklangstönen (von Tonica,
Subdominane und Dominante) gestimmt und drei Kinder müssen an den
jeweiligen passenden Liedstellen - der Lehrer hilft durch Zeichen - nur durch einfaches Über-die-Saiten-Streichen
den harmonischen Klang erzeugen. Man sah es ihnen an: sie hatten das Gefühl, daß sie eine wichtige Aufgabe gut erfüllt
haben !
Ein Musiktherapeut berichtet von der harmonisierenden Wirkung der
Leier auf seelenpflegebedürftige Kinder: "Ein sechsjähriger Bub
hatte es schwer, in den Schlaf zu kommen. Auch mit Leiermelodien
erreichte man nichts: auf Grund seiner Zwanghaftigkeit machte er
karrikierend die Melodie nach oder er griff ihr voraus. Erst beim
Spielen von Akkorden wude es anders. Das Kind lauschte andächtig dem
entstehenden Klang, die Atmung wurde tiefer und gleichmäßiger und
innerhalb kürzester Zeit war er im Schlaf."
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"Auch
bei spastich gelähmten Kindern beobachten wir eine deutliche Lösung
aus der Verkrampfung, wenn man sie Leierklänge erleben lässt."
- "Das
überzeugendste Beipiel für den therapeutischen Wert der Leier lieferte
uns ein 7-jähriger Bub. Er wurde bisweilen von extremen
Unruhezuständen regelrecht ergriffen. Dabei sackte der Kreislauf
manchmal bis ins Lebensbedrohliche ab. Abhilfe, oft schon im Vorstadium
solcher Zustände, bot folgende Vorgehensweise: Ich lehnte das Kind mit
dem Rücken gegen eine große, tief gestimmte Tenorleier. Dann begann
ich in gleichmäßigen Bewegungen Akkorde von unten nach oben
aufzubauen. Danach ließ ich sie wieder nach unten hin abnehmen bis nur
noch der tiefste Ton erklangt. Durch die starke Resonanz dieser Leier
setzte die ausgleichende Wirkung bei dem Kind fast augenblicklich
ein." Ù
Hören wir noch, was die betagte Fr. Elisabeth Gärtner
aus ihrer Erfahrung mit bereits in höherem Alter Stehenden erzählen
kann. "Der bezaubernde, lichterfüllte Klang der Leier nimmt in
seinen Verschwebungen alle Verkrampfungen und Bedrückungen des Alltags
aus der Seele. ... Die Leier kann auch dem Ungeübten wegen ihrer
einfachen Handhabung beglückende Erlebnisse schenken. Selbst dem im
Bett oder auf dem Rollstuhl Befindlichen kann die auf dem Schoß oder
auf die Bettdecke gelegte Leier im Erklingenlassen der Saiten Freude und
Friede geben." Die Ängstlichkeit,
man wisse ja nicht, w a s
spielen, legt sich bald: die Leier sagt es einem.
-
"Eine besondere Erfahrung mit der lösenden Wirkung dieser
sanften, gleitenden Musik und ihren die Schwere überwindenden Tönen
kann in der Begleitung letzter schwerer Lebensstunden gemacht
werden." Ù
Die eingangs erwähnten
Schilderungen über die Wirkung der Leier erscheinen ja so phantastisch,
daß wir sie gewöhnlich ins Gebiet der Mythologie verbannen. Wenn wir
aber mit gutem Grund vermuten, daß die Menschen früherer Kulturen und
Lebensumstände wesentlich empfänglicher für musikalische Klänge
waren, so wird die ans Magische grenzende Wirkung der Musik,
insbesondere der Leier, doch eher verständlich. Uns heutige Menschen können
wir ja eigentlich nicht mehr als natürlich empfindend ansehen - werden
wir doch ungefragt und
gegen unseren Willen mit entsetzlich viel "akustisch-elektronischen
Reizen" überschwemmt. Da wir dabei ja eigentlich nicht mehr zu
einem innerlich berührenden Musik-Erlebnis kommen, nenne ich es auch
nicht mehr Musik. Und man muß weiter fragen: kann denn eine Maschine
wirklich Musik machen? Wo ist denn der Spieler, der in einer bestimmten
Situation, für die Zuhörenden im Moment musiziert?)
Daß die Leier seit ihrer Wiederentdeckung eine so ungewöhnliche
Verbreitung fand: können wir es nicht als Zeichen ansehen, daß eine
Empfänglichkeit für wahre, lebendige und unmanipulierte Musikklänge
wieder aufleben möchte und dazu auch ihrer besonderen Pflege bedarf? Ù
Ein altes Musikinstrument ist wieder zu neuem, die Seele
bereichernden Leben erweckt worden. Mit den Mitteln des modernen
Instrumentenbaus, verbunden mit den Jahrhunderte alten Erfahrungen im
Bau von Saiteninstrumenten, entstand ein ganz neuer Kulturimpuls. Im Zuge der weiteren Verbreitung der Leier, über die Heilpädagogik hinaus, haben dann andere Instrumentenbauer diesen Impuls aufgegriffen, in eigenständiger Weise verändert und weiterentwickelt. Dabei wurde vor allem auch nach neuen Klängen gesucht, die in ihrem Charakter von den bisherigen klassischen Instrumenten nicht erzeugt werden können. So gibt es mitlerweile ein breites Spektrum von verscheidensten Leiertypen, angefangen von der kleinen 7-saitigen pentatonischen Leier, über Kinderleier, Kleine und Große Sopranleier, Solo-Sopranleier, Kleine und Große Altleier, Tenorleier, Baßleier, Bordunleiern, bis zu einer 54-saitigen großen harfenartigen Standleier
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Bevor wir Sie im Folgenden mit den Leiern von
Lira
Aurelio
bekanntmachen, noch ein kleiner Hinweis
für absolute Anfänger im Leierspiel: Um erste befriedigene Erfolge
auf der Leier zu haben genügt in der Regel ein drei- bis sechsmonatiger
Grundkurs, z.B. in einer Kleingruppe, was auch finanziell immer tragbar
ist. Wegen Unterricht wende man sich an Leierspieler im Umkreis von
Waldorfschulen, anthroposophischer Heilpädagogik oder
Christengemeinschaft.
Mit der "Einführug in das Spiel der David-Harfe" (s.dieselbe
im Angebot ) hat man eine bewährte Anleitung zum Erlernen des
Leierspiels überhaupt, also auch für andere, größere Leiern.
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